Das Bild der alten Dame by Oelker Petra

Das Bild der alten Dame by Oelker Petra

Autor:Oelker, Petra
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Historische Kriminalromane
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-12-28T05:00:00+00:00


Der Frühstücksraum war fast leer. Nur am Eingang gleich neben der Ritterrüstung, die aussah, als klebe auf ihrem Rücken noch das Preisschild eines Großhandels für Mittelalter-Imitate, saßen zwei Gäste und verspeisten wortlos große Mengen von Eiern, Schinken und Würstchen. Als Leo den Raum betrat, rief der eine der beiden, ein dicklicher Mann mit blondem Schnauzbart, dem Kellner gerade zu, er möge noch eine Kanne Kaffee bringen, aber etwas stärker als die erste, bitte sehr, er meine tatsächlich Kaffee, nicht Tee. Die Männer beachteten sie nicht, und sie entschied sich für den Tisch, der am weitesten von ihnen entfernt an den Fenstern zur Bucht stand. Sie hatte genug von schlechtgelaunten Männern. Dann bestellte sie Toast und Tee und sah hinaus in den trüben Morgen. Die muntere Stimme im Radio hatte einen sonnigen Tag versprochen, doch da draußen war alles grau: das Meer, das Fort, der Dunst über dem Wasser, die Häuser. Aber es war noch früh, gerade nach acht, mit etwas Glück würde der Dunst verschwinden und – Leo drehte dem Fenster ärgerlich den Rücken zu. Wozu machte sie sich Gedanken über das Wetter? Sie hatte Besseres zu tun. Sie schlug ihr Notizbuch auf und starrte auf die Seite, auf der sie gestern abend eine Liste der nächsten Schritte begonnen hatte. Sie war sehr kurz.

Hatte sie tatsächlich Besseres zu tun als sich Gedanken über das Wetter zu machen? Was suchte sie hier noch? Lady Amanda würde in wenigen Tagen wieder gesund und munter zu Hause sein. Timothy Bratton würde das Bild prüfen, aber da er es nicht besonders eilig zu haben schien, würde es nicht nur einige Tage, sondern einige Wochen dauern.

Also Urlaub machen. Falls die Sonne doch noch den Kampf mit Nebel und Wolken gewann, war das eine verlockende Vorstellung. Eine Wanderung entlang der Steilküste, Cream Tea in irgendeinem kleinen Gasthof, sie konnte durch das Museum in St. Helier trödeln, den berühmten Zoo, die Steinzeit-Kultstätte La Houge Bie, das German Underground Hospital bei Meadow Bank besuchen oder die zahllosen Geschäfte, Kunsthandwerker und Farmen, von denen die Flut der Prospekte in der Empfangshalle des Hotels versprachen, daß alle Einmaliges boten, preiswert wie nirgends sonst. Leo klappte seufzend das Notizbuch zu, fischte den Teebeutel aus dem dampfenden Edelstahlkännchen und strich Butter und Orangenmarmelade auf eine schon ziemlich biegsame Scheibe Toast. Also: Warum flog sie nicht einfach zurück?

Was war denn schon geschehen? Sie hatte zwei Bilder gesehen, die einander aufs Haar glichen, jedenfalls war es ihr so erschienen. Das eine war lange verschollen gewesen und plötzlich wieder aufgetaucht. Niemand wußte woher und warum. Seltsam, aber die Welt war nun voller seltsamer Geschichten.

Weiter. Dann gab es zwei schlechtgelaunte Männer, die ihren Vater beziehungsweise ihre Tante von neugierigen Besuchern fernzuhalten versuchten, und beide behaupteten, daß sie, Leo, nicht richtig sehen könne.

Damit wäre die Geschichte – wahrscheinlich – zu Ende, wäre da nicht der Einbruch auf Thornbould Manor, bei dem eine alte Frau niedergeschlagen, aber nichts gestohlen worden war. So etwas kam auch vor, wenn ein guter Wachhund zur rechten Zeit auftauchte. Ein Wunder, daß Lizzy so weit über sich selbst hinausgewachsen war.



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